Die Abwanderung (vor allem junger Menschen) aus ländlichen Gebieten ist auch für Südniedersachsen ein wichtiges Thema. Was junge Menschen veranlasst, in ihrer ländlichen Heimatregion zu bleiben, wurde im Rahmen einer Studie innerhalb des Modellprojektes „H!ERgeblieben“ erforscht.

Ansatz

Anders als viele Studien der vergangenen Jahre zu diesem Thema verfolgt die Studie mit der Frage nach Bindefaktoren keinen defizitorientierten Ansatz, sondern fokussiert bewusst die positiv wahrgenommenen Aspekte des ländlichen Raums: die Gründe für den Verbleib in der Heimatregion. Da vor allem junge Menschen am Beginn ihres beruflichen Werdegangs (18 – 25 Jahre) in hohem Maße vor allem aus ländlichen Regionen abwandern, wurden im Rahmen der Studie 440 Neuntklässler/innen – also Schüler/innen in der Berufsorientierungsphase – verschiedener Schulformen aus den Landkreisen Holzminden und Höxter befragt. Insbesondere wurde auf das Verhältnis von regionaler Bindung und Zukunftsperspektiven abgezielt, was die Studie in den Kontext des Themas Fachkräftebindung rückt.

Ergebnisse und Handlungsempfehlungen

Neben vielfältigen allgemeinen und soziodemografischen Fragen untersucht die Studie vor allem das Verhältnis zwischen der Bindungsneigung und dem Berufswunsch der Befragten. Einen Mangel an beruflichen Perspektiven konstatieren hierbei die wenigsten Befragten. Die meisten sind guter Dinge, ihren Wunschberuf in der Region erlernen und ausüben zu können. Dabei ist jedoch zu beachten, dass ein bemerkenswert hoher Teil der Befragten (ca. 30%) nicht weiß, ob das Erlernen und Ausüben des eigenen Wunschberufes in der Region möglich ist. Der Grund hierfür scheint jedoch weniger in einem mangelhaften Informationsangebot zu liegen, sondern in einer schon zuvor konstatierten, den Befragten zu großen und unübersichtlichen Menge an Informationen.

Ihre Informationen bezüglich beruflicher Angebote beziehen die Schüler/innen nach eigenen Angaben hauptsächlich über soziale Kontakte, das Internet und die Schule. Eigens entwickelte Beratungsangebote und aufwändig organisierte Ausbildungsmessen scheinen hingegen eine eher untergeordnete Rolle zu spielen, werden sie doch von den Schüler/innen als weniger hilfreich bewertet. Hierzu gehören Angebote der Agentur für Arbeit oder Berufsmessen. Mit Blick auf die Frage nach der Priorisierung der Entscheidung „gehen oder bleiben?“ und der Berufswahl, lässt sich feststellen, dass Schüler/innen, die ihren ersten Wunschberuf in der Region nicht ausüben können, eher bereit sind die Region zu verlassen, als sich für einen nachrangigen Berufswunsch zu entscheiden. Dennoch ist den Autoren der Studie wichtig darauf hinzuweisen, dass sich die Frage, ob jemand in der Region verbleiben möchte, gar nicht stellt, wenn die Person mit den Angeboten in ihrem Nahraum unzufrieden ist.

Eine weitere spannende Erkenntnis – die sich durchaus als Plädoyer für den ländlichen Raum lesen lässt – ist, dass die Bindungsneigung in signifikantem Zusammenhang mit der Ortsgröße steht: Je kleiner der Ort, desto größer die regionale Bindung. Schüler/innen aus kleineren Ortschaften sind zudem zufriedener mit den Angeboten der Daseinsvorsorge in ihrer Region und das sogar in Ortschaften, in denen der letzte Bäcker oder Fleischer längst gegangen ist.

Welche Rückschlüsse lassen sich aus diesen Ergebnissen für die regionalen Akteure im Untersuchungsgebiet ziehen? Zunächst offenbart die positive Herangehensweise der Studie, dass ein stärkeres selbstbewussteres Kommunizieren der – zweifellos vorhandenen – Stärken der Region Vorteile generieren kann. Darüber hinaus wird deutlich, wie wichtig die Förderung der Partizipation junger Menschen in regionale Gemeinschaftskontexte für die Bindungsneigung ist. Ein möglicher konkreter Ansatz hierzu wäre die Förderung eigener Projekte durch Mikrokredite aus einem eigens angelegten Jugendfonds, die bereits im Rahmen des Projektes Duderstadt 2020 positive Effekte erzielen konnte. Nicht zuletzt führt die Studie vor Augen, wie wichtig ein aufeinander abgestimmtes Berufsinformationsangebot für die Bindungsneigung der Schüler/innen ist. Nur durch eine effiziente Zusammenarbeit aller relevanten regionalen Akteure können die vielfältigen Möglichkeiten innerhalb der Region kommuniziert und beworben werden.

Projektdetails

Dieser Blick in die Forschung basiert auf einer Studie, die im Rahmen der Projektkampagne „H!ERgeblieben“ unter Leitung von Jan Schametat am länderübergreifenden Zukunftszentrum Holzminden-Höxter der HAWK Hildes- heim/Holzminden/Göttingen und der Hochschule Ostwestfalen-Lippe erstellt wurde. Das Projekt (abgeschlossen im Januar 2018) initiierte verschiedene Formate zur Bindung Jugendlicher und junger Erwachsener in der Region. Gefördert wurde es im Rahmen des Modellvorhabens Land(auf)Schwung mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.

Ihr Kontakt

Jan SchametatHAWK
Länderübergreifendes Zukunftszentrum Holzminden-Höxter
05531-126-281