Um einen Ansatz zur effektiven Gestaltung von Team- und Projektarbeit mit internetbasierten Anwendungen in Unternehmen zu generieren, haben Stefan Klötzer und Dr. Thomas Hardwig mit Prof. Dr. Margarete Boos ein entsprechendes Gestaltungsmodell vorgestellt und auf seine Aussagekraft getestet.
Internetbasierte Anwendungen werden im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung auch für KMU ein immer wichtigerer Faktor, um Team- und Projektarbeit möglichst effizient gestalten zu können. Insbesondere im Fall von dezentralen Arbeitsweisen über verschiedene Standorte hinweg, aber auch im Fall von Arbeitsformen wie z.B. Homeoffice, werden die Vernetzung von Mitarbeitern und das Teilen von Wissen und Daten zu einer Herausforderung, deren Bewältigung technischer Unterstützung bedarf. Die technischen Möglichkeiten in diesem Bereich gestalten sich vielfältig – ob sie die intendierten Vorteile gewährleisten können, hängt jedoch stark von der letztendlichen Gestaltung ihrer Nutzung ab. Um einen Ansatz zur effektiven Gestaltung dieser Prozesse in Unternehmen zu generieren, haben Stefan Klötzer und Dr. Thomas Hardwig von der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften an der Universität Göttingen gemeinsam mit Prof. Dr. Margarete Boos vom Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie der Universität Göttingen ein entsprechendes Gestaltungsmodell vorgestellt und es anhand des Praxisbeispiels eines IT-Beratungsunternehmens auf seine Aussagekraft getestet [1].
Grundlagen
Unter den untersuchten, in der Studie als „kollaborative Anwendungen“ bezeichneten, Werkzeugen subsumieren die Autorenverschiedenste internetgestützte Software, die das gemeinsame Arbeiten über räumliche Distanzen hinweg vereinfacht. Beispielhaft lassen sich Internet-Konferenzen, Chats, Wikis und Foren nennen. Der Forschungsgegenstand versteht sich klar abgegrenzt von klassischen, in der Literatur mitunter stark kritisierten Informationssystemen (z.B. E-Mails, Netzlaufwerke) [2]. Um die sich bietenden Potentiale kollaborativer Anwendungen bestmöglich ausschöpfen zu können, bedarf es innerhalb des Unternehmens einer klaren Systematik, die potentielle Fehlerquellen identifiziert, Zuständigkeiten festlegt und zu bearbeitende Themenfelder klar formuliert. Erste Anhaltspunkte für eine solche Systematik und die Grundlage für die Untersuchung des Praxisbeispiels entnehmen die Autoren dem von STOLLER-SCHAI [3] entwickelten Modell (vgl. Abb. 1). Unter den drei Dimensionen Strategie, Methoden und Technik werden verschiedene, für den Prozess relevante Aspekte zusammengefasst. Während die Dimension Strategie vornehmlich festlegt, welche exakte Zielsetzung mit der Implementierung verfolgt wird, beschäftigt sich die Dimension Methoden neben der Art und Weise der Nutzung detailliert mit der Zuteilung von Zuständigkeiten und die Dimension Technik mit den „praktischen“ Aspekten der Handhabung.
Untersuchung
Im praktischen Abschnitt des Berichtes werden die vorgestellten Aspekte und Dimensionen auf ein Beispiel aus der Praxis angewandt. Die GIS Gesellschaft für InformationsSysteme AG hat ihren Hauptsitz in Hannover, die insgesamt ca. 90 Mitarbeiter/innen arbeiten jedoch auch an zwei weiteren Standorten (Hamburg und Zürich). Das Unternehmen bietet hauptsächlich Softwareberatungen für den digitalen Arbeitsplatz und verkauft darüber hinaus fremd- und selbstentwickelte Software-Produkte. Der eigene Software-Fokus und die räumliche Trennung der Mitarbeiter/innen rücken kollaborative Anwendungen in den Fokus des Unternehmens. Die Aktivitäten der GIS in diesem Bereich folgen einer mittelfristig ausgerichteten Strategie und sind bereits vergleichsweise weit fortgeschritten und erfolgreich in den Unternehmensalltag umgesetzt. Nichtsdestotrotz lassen sich in den einzelnen Dimensionen Feinheiten identifizieren, die in der Zukunft einer stärkeren Betrachtung bedürfen. Im Rahmen des übergeordneten Forschungsprojektes CollaboTeam an der Universität Göttingen wurden Interviews mit verschiedenen Beschäftigten der GIS AG geführt, die in die Ergebnisse dieser Veröffentlichung einfließen.
Ergebnisse
Bezüglich der strategischen Dimension hat das Unternehmen im Bereich Ziele bereits den Bedarf erkannt, Mitarbeiter/innen mit Hilfe des eigenen WIKI-Systems noch stärker in Fragen und Aspekte der Unternehmensstrategien einzubinden und so jeder und jedem Einzelnen zu verdeutlichen, wie der eigene Beitrag zum Unternehmenserfolg gestaltet werden kann. Besonderer Handlungsbedarf offenbart sich in diesem Zusammenhang in der transparenten Gestaltung von Veränderungsprozessen innerhalb der bestehenden Systemlandschaft, die den Arbeitsalltag der Mitarbeiter/innen direkt beeinflussen. In diesem Zusammenhang wurde darüber hinaus deutlich, dass die Umsetzung der bestehenden Strategie für die Kollaboration in einigen Fällen von wichtigen Ereignissen des Tagesgeschäfts konterkariert wird und einzelne Aspekte erst mit entsprechender Verzögerung umgesetzt werden. In den Teilbereichen Ganzheitlichkeit und Einsatzgebiete lässt sich ein positives Zwischenfazit ziehen. Als Erfolgsfaktoren lassen sich an dieser Stelle der Zugriff aller Mitarbeiter/innen auf die kollaborativen Anwendungen – und somit auf einen Großteil des unternehmensinternen Wissens – und die Berücksichtigung entsprechender Kompetenzen im Rahmen von Personalentscheidungen nennen. Hinsichtlich der Regeln birgt die Vielfalt der vorhandenen Alternativen insofern Herausforderungen, als dass ohne konkrete Absprachen unter Umständen Systeme parallel „aneinander vorbei“ genutzt werden können und die jeweilige Aktualität der Daten somit nicht zwingend gewährleistet ist. Hinzu kommt, dass kollaborative Anwendungen eine hohe Anzahl virtueller Meetings ermöglichen. Ohne Reiseaufwand können kurzfristig Besprechungen abgehalten werden, was inklusive Vor- und Nachbereitung bei allzu ausführlicher Nutzung in einer Arbeitsverdichtung und Qualitätseinbußen münden kann. Der reale Aufwand, der auch mit virtuellen Meetings verbunden ist, scheint noch zu oft unterschätzt zu werden. Um an dieser Stelle ein Aufrechterhalten der Qualität der Meetings gewährleisten und den Mitarbeiter/innen außerhalb von Meetings ausreichend Zeit für ihre Aufgaben einräumen zu können, werden in Zukunft weitere Regelungen notwendig sein.
Im Rahmen der Dimension Methoden wurde der unternehmensinternen IT-Abteilung sowie den Führungskräften die federführende Betreuungsrolle im Umgang mit den kollaborativer Anwendungen zugewiesen. Unterstützt wird sie von Leiter/innen einzelner Projekte, die projektspezifische Regelungen verantworten. Hinsichtlich der Räume verfolgt das Unternehmen eine sehr flexible Strategie, die die Nutzung kollaborativer Anwendungen unterstützt. Der Aspekt des Lernens wird bei der GIS AG neben einem umfangreichen, begleiteten „Onboarding-Prozess“ und verschiedenen Schulungsangeboten über weite Strecken eigenverantwortlich umgesetzt. Verbesserungspotenziale konnten hier im Bereich des „Onboarding-Prozesses“ identifiziert werden. Dessen Erfolgsaussichten werden trotz seines immensen Umfangs in Frage gestellt. Es bleibt eine Herausforderung die einführenden Informationen in den Arbeitsalltag der neuen Mitarbeiter zu transferieren. Ein denkbarer Lösungsansatz wäre in diesem Fall das stärkere Einbinden von Führungskräften um Bedarfe im Vorfeld detaillierter auszuloten.
Bezüglich der technischen Dimension kann im Fall des Praxisbeispiels aufgrund der ausgeprägten Vielfalt vorhandener Instrumente (Chat, WIKI, ERM, CRM) grundsätzlich von einer hohen Nützlichkeit ausgegangen werden. Auch die Verfügbarkeit der einzelnen Anwendungen von verschiedenen Arbeitsplätzen aus wird von den Beschäftigten als sehr umfänglich bewertet. Lediglich die aus lizenzrechtlichen und datenschutztechnischen Gründen generell hohe Hürde der Nutzung kollaborativer Anwendungen über die Grenzen des eigenen Unternehmens hinaus bereitet in diesem Zusammenhang Schwierigkeiten. Hinsichtlich der Aspekte Ergonomie und Sicherheit wurden im Laufe des Forschungsvorhabens keine größeren Schwachpunkte aufgedeckt. Es wurde lediglich erneut deutlich, dass der oftmalige Wechsel zwischen verschiedenen Plattformen eine methodische Herausforderung darstellen und zu Ineffizienzen wie doppelter Dateneingabe führen kann.
Fazit
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts zeigen, dass mit der Implementierung kollaborativer Anwendungen große Herausforderungen einhergehen. Das vorgestellte Modell und die Erfahrungswerte eines auf dem Gebiet fortschrittlichen Unternehmens können erste Anhaltspunkte darüber liefern, welche Aspekte vor und während der Implementierung besonders zu beachten sind. Vor allem wird deutlich, welchen hohen Stellenwert das Erarbeiten und Verfolgen einer klaren Strategie hat und wie wichtig es ist, (neue) Mitarbeiter/innen gezielt mit dem Thema vertraut zu machen. Es erscheint wenig zielführend, entsprechende Anwendungen für den Arbeitsalltag schlicht zur Verfügung zu stellen. Vielmehr bedarf es Regelungen bezüglich der Nutzungsweisen und Zuständigkeiten und ein einer aktiven Einbindung der Mitarbeiter/innen in den Prozess. Im Unternehmensalltag gilt es dann demnach vor allem, Doppelstrukturen zu vermeiden, die entstandenen Möglichkeiten im Sinne der Qualitätssicherung nicht zu exzessiv zu nutzen und die erarbeitete Strategie auch im Tagesgeschäft weiter zu verfolgen.
Referenzverzeichnis
[1] KLÖTZER, S., HARDWIG, T. & M. BOOS (2017): Gestaltung internetbasierter kollaborativer Team- und Projektarbeit. In: Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für angewandte Organisationspsychologie (GIO), 48, 293-303.[2] HILLER, A., SCHNEIDER, M. & A.C. WAGNER (2014): Social Collaboration Workplace. Das neue Intranet erfolgreich einführen (E-Collaboration). (Hülsbusch) Glückstadt.[3] STOLLER-SCHAI, D. (2003): E-Collaboration: Die Gestaltung internetgestützter kollaborativer Handlungsfelder. (Difo-Druck) Bamberg.
Projektdetails
Dieser Blick in die Forschung basiert auf einem wissenschaftlichen Artikel [1], der im Rahmen des BMBF-Verbundvorhabens CollaboTeam an der Universität Göttingen von Stefan Klötzer gemeinsam mit Dr. Thomas Hartwig und Prof. Dr. Margarete Boos veröffentlicht wurde.
Es besteht aktuell Interesse an Partnerunternehmen aus der Wirtschaftslandschaft Südniedersachsens. Sollten Sie Interesse an ähnlichen Untersuchungen innerhalb Ihres Unternehmens haben oder ein in Frage kommendes Unternehmen kennen, wenden Sie sich gerne jederzeit an den SNIC oder direkt an Stefan Klötzer.