Geothermische Energie kann sich zum wichtigsten Baustein der Wärmewende entwickeln. Dies wird aber nur gelingen, wenn die geothermische Nutzung auch außerhalb der klassischen, geologisch prädestinierten Regionen möglichst flächendeckend erfolgt. In welcher Tiefe und mit welcher Technik lässt sich die Erdwärme in Südniedersachsen effizient erschließen? Das untersucht aktuell ein Forschungsteam der Universität Göttingen. Eine wichtige Erkundungsbohrung ist in konkreter Planung.

Abb. 1: Das geologische Untergrundmodell von Göttingen dient als Grundlage für die Planung mitteltiefer Geothermiebohrungen bis 1.500 Meter Tiefe im Leinetal (Blick von Süden nach Norden). Im Modell ist die Stadtgrenze mit einer schwarzen Linie eingetragen.

Geothermie erschließen, Nutzungssysteme integrieren

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Geowissenschaftlichen Zentrums der Universität Göttingen untersuchen seit mehr als zehn Jahren den oberflächennahen und tiefen Untergrund der Region Göttingen beziehungsweise Südniedersachsens. Vor allem über den tieferen Untergrund bis 5.000 Meter liegen nur sehr eingeschränkte Kenntnisse vor. Es fehlen wichtige Informationen zu den Gesteinseigenschaften und Strukturen aus Bohrungen, da die Region für die Gewinnung von Öl und Gas nicht infrage kam. Auf der Basis seismischer Messungen der Universität im Jahre 2015 wurden geologische 3D-Modelle entwickelt, die jetzt zusammen mit der erarbeiteten Datensammlung die Grundlage für eine solche wichtige Erkundungsbohrung darstellen.

Abb. 2: Dr. Bernd Leiss untersucht die geologische Struktur im Westharz. Daraus lassen sich geothermische Analogien für den tieferen Untergrund Göttingens (mehr als 1500 Meter Tiefe) ableiten.

Komplexer Untergrund bietet reichlich Wärmepotenzial

Geologisch sind die mesozoischen Sedimentgesteine der Region durch die Leinetalgrabenstruktur überprägt. Das bedeutet, dass sie für Wasser besonders durchlässig sein können und damit gute Voraussetzung bieten, Erdwärme zu gewinnen. Unterhalb von zirka 1500 Metern kommen verfaltete und metamorphe Gesteinseinheiten vor, wie sie im Harz an der Oberfläche auftreten und dort für Analogstudien dienen. Vorteil dieser relativ komplexen regionalen Geologie ist das Potenzial, unterschiedliche geothermische, auch innovative Systeme zu entwickeln, um Geothermie aus unterschiedlichen Tiefen zu erschließen. Je nach geologischer Struktur und Tiefe sind die Temperaturangebote verschieden, das ermöglicht etwa auch die saisonale Speicherung von Abwärme oder Kühlung.

Energiebedarf und Wirtschaftlichkeit prüfen

Das Energieangebot des Untergrundes wiederum bedingt eine systemische Entwicklung der Infrastruktur auf der Oberfläche. Die Nachfrage muss bei der Erschließung der Geothermie von Anfang an mitgeplant werden. Zum Beispiel wird für Neubauten mit Niedrig-Heizsystemen weniger Energie benötigt, dann muss auch weniger tief gebohrt werden. Auch die Integration anderer regenerativer Energien (Energietransformationsplan) ist sinnvoll. Die Forscherinnen und Forscher kombinierten die geologischen Daten mit modellierten Wirtschaftlichkeitsszenarien und haben den Kommunen die Basis für Verhandlungen mit Investoren geschaffen. Sie sehen gute Chancen für die zeitnahe Realisierung einer mehrere Millionen Euro teuren lokalen Erkundungsbohrung.

Projektdetails

Die Universität Göttingen und die Universitätsmedizin Göttingen arbeiten gemeinsam mit der Universitätsenergie Göttingen GmbH an der Umstellung auf eine noch effizientere und vor allem regenerative Energieversorgung. Dabei spielt die tiefe Geothermie zur Wärmeversorgung des Campus über das bestehende Fernwärmenetz eine zentrale Rolle. Weiterführende Informationen zur Geothermieforschung für die Region Göttingen finden Sie hier.

Ihr Kontakt

Dr. Bernd LeissUniversität Göttingen
Abteilung Strukturgeologie und Geodynamik