Der Mittelstand bildet das Rückgrat der deutschen Wirtschaft und trägt entscheidend zum weltweiten, wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands bei. Nicht zuletzt durch immer neue, innovative Lösungen vermag es der Mittelstand weltweit Kunden mit den höchsten Ansprüchen zu bedienen und neue Märkte zu erschließen. Den Großteil des Mittelstands bilden nicht Großunternehmen, sondern vielmehr kleine und mittlere Unternehmen. Durch ihr Innovationsverhalten und die Konzentrierung auf weltweite Marktnischen tragen sie bedeutend zum Erfolg der deutschen Volkswirtschaft bei. Zur Bewertung dieser Innovationskraft und darauf aufbauender Politikmaßnahmen zu ihrer Förderung ist eine effektive Messung von Innovationstreibern erforderlich. Der folgende Beitrag stellt Ergebnisse eines Forschungsprojekt vor, in dem eine Reihe von Innovationsindikatoren erarbeitet wurden, die das Innovationsverhalten des Mittelstands besser abbilden sollen. Er soll vor allem Praktikern ein Verständnis der derzeitigen Innovationsforschung vermitteln und Vorschläge für eine bessere Messung von Innovationstreibern im Mittelstand geben.
Überblick zur derzeitigen Innovationsmessung
Da Innovationen ein zentraler Treiber der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Nationalstaaten sind, ist die Verbesserung der Messung von Innovationen ein ständiges Anliegen von nationalen Regierungen und internationalen Organisationen. Seit längerem etablierte Messgrößen zur Bestimmung von Innovationsfähigkeiten sind vor allem Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E), Patente oder auch der Anteil hoch qualifizierter Mitarbeiter. Diese auf Forschung & Entwicklung ausgerichteten Innovationsindikatoren werden in Publikationen der OECD diskutiert und dem aktuellen Stand der Innovationsforschung ständig angepasst (OECD 2015). In der Innovationsforschung hat sich jedoch seit einiger Zeit die Ansicht durchgesetzt, dass Innovationen in Unternehmen durch eine Vielzahl von Innovationstreibern in einem komplexen Prozess entstehen. Ausgehend von dieser Auffassung hat die OECD zusätzlich das OSLO Manual entwickelt, um Innovationstreiber über Forschung & Entwicklung hinaus besser zu beschreiben und zu erfassen (OECD Publishing 2018). Die folgende Arbeit baut auf dem Innovationsverständnisses des Oslo-Manuals auf und ist Teil eines Förderprogramms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Entwicklung neuer und alternativer Innovationsindikatoren.
Messung von Innovationstreibern in Unternehmen
Basierend auf 81 Tiefeninterviews mit 49 Geschäftsführern und leitenden Angestellten sowie 32 regionalen Innovationsberatern wurden in den drei Untersuchungsregionen Südniedersachsen, Hannover und Jena treibende Faktoren für das Innovationsverhalten von mittelständischen Unternehmen über F&E-bezogene Indikatoren hinaus analysiert. Ausgehend von dem „Doing-Using-Interacting“ (DUI) Modus wurden unternehmensinterne und -externe Lernprozesse im deutschen Mittelstand identifiziert und Innovationsindikatoren für die Dimensionen „learning-by-doing“, „learning-by-using“ und „learning-by-interacting” entwickelt.
Abbildung 1 gibt einen Überblick über die drei Dimensionen des DUI-Modus und die dazugehörigen Kategorien (1-15), welche in unseren Interviews als relevant für das Innovationsverhalten von Unternehmen, abseits von Forschung & Entwicklung, angesehen wurden.
Die Dimension „Learning-by-doing“ und „Learning-by-internal-interacting” beinhaltet Kategorien, welche unternehmensinterne Lernprozesse und Innovationstreiber umfassen. Hierzu zählen zum einen Lernen durch die Anwendung neuer Technologien, aber auch innovationsbezogenes Wissen, welches durch Mitarbeiter gebunden und ausgetauscht wird. Unternehmen verwenden bei unternehmensinternen Lernprozessen eine Mischung aus informellem Wissensaustausch, kontinuierlicher Weiterbildung und dem Einsatz neuer Managementmaßnahmen.
Die Dimension „Learning-by-using“ erfasst Lern- und Innovationsprozesse, die auf kunden- und nutzergeneriertem Wissen basieren. Hier spielen vor allem die Kooperation mit Kunden, die Art und Intensität des Kundenkontakts sowie Innovationen, die auf kundenspezifischen Forderungen nach neuen Produkten und zusätzlichen Dienstleistungen basieren, eine Rolle.
Die Dimension „Learning-by-interacting“ deckt schließlich Innovationsanstöße durch externe Akteure ab. Dies umfasst Innovationen basierend auf einer vertikalen Kooperation mit bspw. Zulieferern. Innovationsanstöße durch eine horizontale Kooperation umfassen Interaktionen mit Unternehmen der eigenen oder anderen Branchen auf der gleichen Wertschöpfungsebene. Bei Innovationen in Kooperation mit externen Akteuren spielen nicht zuletzt auch externe Berater, Wirtschaftsförderer und Verbände sowie Industrienetzwerke eine entscheidende Rolle.
Die im Forschungsprojekt erarbeiteten Indikatoren helfen Unternehmen, Verbänden und Kammern somit dabei, Innovationsverhalten über Ausgaben für Forschung & Entwicklung und Patentanmeldungen hinaus besser zu verstehen und abzubilden und dadurch besser zu unterstützen.
Referenzliteratur
Alhusen, Harm; Bennat, Tatjana; Bizer, Kilian; Cantner, Uwe; Horstmann, Elaine; Kalthaus, Martin; Proeger, Till; Sternberg, Rolf; Töpfer, Stefan (2020): Measuring the ‘doing-using-interacting mode’ of innovation in SMEs – a qualitative approach. ifh Working Papers (No. 23). Göttingen.
OECD (2015): Frascati Manual. Reporting Data on Research and Experimental Development. The Measurement of Scientific, Technological and Innovation Activities. Paris: OECD Publishing.
OECD (2018): Oslo Manual 2018. Guidelines for collecting, reporting and using data on innovation. The Measurement of Scientific, Technological and Innovation Activities. Paris: OECD Publish
Projektdetails
Dieser Blick in die Forschung ist ein Teil der Dissertation von Harm Alhusen und basiert auf einem englischsprachigen Fachartikel (Alhusen et al. 2020). Dieser ist ein gemeinsamer Beitrag zum InDUI-Projekt, welches vom BMBF unter der Förderlinie 16IFI005 finanziert wird. Weitere Informationen zum InDUI-Projekt finden sich auf der Projekthomepage unter https://indui.wordpress.com/. Harm Alhusen ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am ifh Göttingen beschäftigt und promoviert bei Prof. Kilian Bizer am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Mittelstandsforschung der Georg-August-Universität Göttingen. In seiner Promotion beschäftigt sich Harm Alhusen mit Zusammenhängen zwischen unternehmensinternen und -externen Innovationstreibern sowie der Messung von Innovationsprozessen in mittelständischen Unternehmen.