Ein speziell für Handwerksmeister_innen entwickeltes Training zur Ideenproduktion soll die Innovationsfähigkeit der Handwerksbetriebe stärken, sie wettbewerbsfähiger machen und in die Lage versetzen, aus eigener Kraft heraus innovative Werbung zu gestalten und Probleme zu lösen.
Das Konzept
Grundlage des Innovationstrainings ist eine Ideenfindungstechnik, die kognitiver semantischer Sprung genannt wird. Nehmen wir an, ein Autokonzern beauftragt Sie damit, ein neues Auto zu entwickeln. Anstelle eines einfachen Brainstormings, bei dem wir unsere Gedanken – oder Assoziationsketten – zum Thema „Auto“ frei fließen lassen, lenken wir unser Gehirn durch einen Trick bewusst in neue Bahnen: Wir denken z.B. darüber nach, was für eine Art Auto „Superman“ bauen würde. Was macht ein Superheld wie Superman den ganzen Tag? Was für Funktionen eines Autos wären ihm wichtig? Durch die Verknüpfung von Begriffen, auch semantische Konzepte genannt, die vordergründig nichts miteinander zu tun haben, schaffen wir einen kognitiven semantischen Sprung und verlassen unsere eingefahrenen Denkmuster. Die Ideen für ein Auto, das Superman bauen würde, sind innovativer als die Ideen, die Sie „einfach so“ entwickelt hätten – so die Hypothese.
Die Studie
Um diese Annahme zu überprüfen, hat Julia Gumula ein Innovationstraining mit insgesamt 217 Handwerker_innen durchgeführt und die Ergebnisse evaluiert. Die Teilnehmer_innen erhielten allesamt dasselbe Innovationstraining, lernten dabei aber entweder das Prinzip des Brainstormings/Brainwritings oder das des kognitiven semantischen Sprungs kennen. Es wurden insgesamt 16 Gruppen gebildet, die entweder aus einem Gewerk (homogene Gruppe) oder aus mindestens zwei Gewerken (heterogene Gruppe) zusammengesetzt waren. Ob die Gruppen die semantischen kognitiven Sprünge nutzten oder aber mit Brainstorming und Brainwriting arbeiteten, war vorab per Zufall ermittelt worden. Danach vollführten alle Gruppen zwei Ideenaufgaben:
- Marketing und Werbeideen für ihren eigenen Betrieb oder ihr eigenes Gewerk zu entwickeln, und
- Lösungsansätze für Probleme zu entwickeln, die entweder ihre Kund_innen oder die Handwerker_innen selbst immer wieder haben.
Die 217 Handwerker_innen erzeugten insgesamt 1.373 nicht-redundante Ideen. Diese Ideen wurden von 89 objektiven Bewerter_innen in einer Online-Studie bewertet hinsichtlich ihrer Originalität und ihrer Umsetzbarkeit. Insgesamt 5.600 Bewertungen wurden abgegeben. Damit war jede Idee im Schnitt fünf Mal bewertet worden.
In einem sogenannten Follow-Up wurden die Handwerker_innen, welche an dem „Ideen sind Handwerk“-Training teilgenommen hatten, ein Jahr nach ihrer Teilnehme danach befragt, was ihnen das Training gebracht hat. Von 217 Handwerker_innen nahmen 34 an dieser Follow-Up-Studie teil. Das entspricht einer Rücklaufquote von 15,6 %.
Ergebnisse des Follow-Up
Laut ihrer Befragung schätzten die Handwerker_innen den Einfluss des Trainings auf ihre Zuversicht mit Blick auf die Zukunft (27,3 % stimmen hier voll und ganz zu, N=33) und auf ihre zwischenmenschlichen Beziehungen (23,5 % stimmen voll und ganz zu, N=34) am stärksten ein. Auch auf die Zufriedenheit mit ihrem Beruf scheint das Training einen Einfluss gehabt zu haben (19,4 % stimmen voll und ganz zu, N=31). Auffällig ist, dass es sich hierbei vor allem um „weiche“ Faktoren handelt. Demgegenüber scheint das Training auf „harte Faktoren“ wie Verkaufszahlen beispielsweise keinen Einfluss zu haben (34,4 % stimmen hier überhaupt nicht zu, N=32). Auf die Frage, welche drei wichtigsten Dinge sie im Innovationstraining gelernt haben, antworteten die Teilnehmer_innen individuell. Hier einige beispielhafte Antworten:
- „Aus kleinen Ideen eines Einzelnen kann eine große Idee zusammenwachsen“
- „Andere Wege versuchen, nicht aufgeben, durchhalten“
- „Eigene Ideen produzieren und verbessern, bis sie perfekt in das Bild passen“
- „Für mich habe ich gelernt und mitgenommen, wie ich alleine oder in der Gruppe Ideen entwickeln und weiter entwickeln kann.“
- „Ideen sind Kreativtechniken vom Herzen“
- „Intuition , künstlerisches Denken, etwas Neues schöpfen“
- „Offenheit und Ideenfindung mit Gleichgesinnten weckt Begeisterung.“
- „Es gibt keine falsche Antwort“
- „Nichts ist unmöglich“
- „Ich sollte genau wissen, wer mein Kunde ist, was er von mir erwartet und wie ich ihn erreiche.“
Ideen sind Handwerk – Zweiter Teil
Da sich die Ergebnisse der Ideenbewertung derzeit im Prozess der akademischen Veröffentlichung befinden, können wir in diesem Blick in die Forschung noch nicht darauf eingehen. Ein zweiter Teil wird auf der SNIC-Webseite zur Verfügung gestellt, sobald die Veröffentlichung abgeschlossen ist. Wenn Sie möchten, dass wir Ihnen den Blick in die Forschung als PDF zuschicken, melden Sie sich per E-Mail bei caroline.heck@snic.de. Wir nehmen Sie gerne in den Verteiler auf.
Quellen
Collins, A. M., & Loftus, E. F. (1975). A spreading-activation theory of semantic processing. Psychological Review, 82(6), 407–428. https://doi.org/10.1037/0033-295X.82.6.407
Knoll, S. W., & Horton, G. The Impact of Stimuli Characteristics on the Ideation Process: An Evaluation of the Change of Perspective ‚Analogy‘. In 2011 44th Hawaii International Conference on System Sciences (HICSS 2011) (pp. 1–10). https://doi.org/10.1109/HICSS.2011.416
Santanen, E. L., Briggs, R. O., & Vreede, G.-J. de. (2004). Causal Relationships in Creative Problem Solving: Comparing Facilitation Interventions for Ideation. Journal of Management Information Systems, 20(4), 167–197.
Projektdetails
Diese Studie ist ein Forschungsprojekt in Kooperation mit dem ifh Göttingen und des Promotionskollegs „Qualifikatorisches Upgrading in KMU – Fachkräftebedarf und Akademisierung im Mittelstand“ an der Georg-August-Universität Göttingen, das von der Hans-Böckler-Stiftung finanziert wird. Diese Studie ist Teil der Innovationsforschung und eingebettet in die beiden wissenschaftlichen Disziplinen: Wirtschaftswissenschaften/ Mittelstandsforschung und Sozial- und Kommunikationspsychologie.