Aufgrund der gewichtigen Rolle von Handwerksbetrieben für die regionale Wirtschaftsleistung in Südniedersachsen spielt die Digitalisierung des Handwerks und damit dessen Innovations- und Leistungsfähigkeit eine wichtige Rolle für die regionale Wettbewerbsfähigkeit. Die diesem „Blick in die Wissenschaft“ zugrundeliegende Studie fasst die Ergebnisse mehrerer empirischer Analysen zur Digitalisierung des Handwerks in Südniedersachen und Deutschland insgesamt zusammen und formuliert im Anschluss vier Handlungsfelder für die Handwerks- und Regionalpolitik.

Handlungsfeld 1: Einstieg in Digitalisierungsprozesse

Der Einstieg in Digitalisierungsprozesse ist für den Erfolg aller weiteren Digitalisierungsbemühungen entscheidend. Es ist dabei zwischen dem grundlegenden Einstieg bei bislang wenig bis nicht digitalisierten Betrieben und der gezielten Förderung bereits digital innovativer Betriebe zu unterscheiden, wobei jeweils unterschiedliche Formate, Zielrichtungen und Trägerinstitutionen erforderlich sind. Bei einem Abzielen auf bislang wenig digitalisierte Betriebe muss der Fokus auf niedrigschwelligen Angeboten liegen, die mit unbürokratischer finanzieller Unterstützung verknüpft sein müssen. Informationsveranstaltungen und die direkte Ansprache von Betrieben zur Digitalisierung unternehmensinterner Prozesse zur Effizienzsteigerung oder zu aktuellen Förderprogrammen wecken besonderes Interesse bei den Unternehmen und erleichtern so den Zugang. Weiterhin sind Best-Practice-Beispiele von Vorreiterbetrieben relevant und der Wissenstransfer vor Ort ist insbesondere in ländlichen Räumen wichtig. Im Falle einer strategischen Entwicklung bereits sehr innovativer und digital aktiver Betriebe sind andere Förderungsformen wichtig. Hierbei ist eine gezielte Kontaktaufnahme mit innovativen Betrieben und deren Einbindung in regionale Innovationsnetzwerke und -initiativen erforderlich. Auf diesem Wege sind gemeinsame Antragsstellungen mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu etablieren, die in langfristige Innovationskooperationen zur Schaffung neuer Märkte, Geschäftsmodelle und Produkte münden.

Handlungsfeld 2: Digitales Marketing

Die Digitalisierung des Marketings ist ein geeignetes, in Corona-Zeiten akutes, und in seiner Relevanz akzeptiertes Mittel zum Einstieg in weitere Digitalisierungsprozesse. Die hohe Relevanz dieses Bereichs für die Digitalisierungsförderung kann daher nicht unterschätzt werden und sollte im Rahmen von Betriebsberatung und regionaler Digitalisierungsförderung vorrangig eingesetzt werden, um Veränderungen und Digitalisierungsprozesse in den Betrieben anzustoßen. Aus Sicht der regionalen Wirtschafts- und Innovationsförderung ist die Entwicklung der digitalen Sichtbarkeit der Betriebe ein lohnender Bereich zur Stärkung regionaler Nachfrage- und Angebotsstrukturen und zur Erhöhung der Attraktivität des Mittelstandes der gesamten Region. Dies gilt auch für die Einbindung der Betriebe in regionale und überregionale Handwerks- bzw. Dienstleistungsplattformen, die Auffindbarkeit, Kontaktmöglichkeiten und attraktive Darstellung sicherstellen.

Handlungsfeld 3: Digitalisierungsberatung

Die Digitalisierungsberatung ist insbesondere bei den kleinen Betrieben des Handwerks entscheidend, da sie die größenbedingten Nachteile bei der Umsetzung von Digitalisierungsschritten kompensieren kann. Sie organisiert den Zugang zu Fördermitteln, die Kontakte zu regionalen Netzwerken und eine umfassende Begleitung der Betriebe und seiner Entwicklung. Die Projektergebnisse zeigen, dass eine enge Begleitung der Handwerksbetriebe während des gesamten Digitalisierungsprozesses essenziell ist. Diese sollte regelmäßige Termine mit festgesetzten Zwischenzielen umfassen. Konkrete Zwischenziele gewährleisten den Fortschritt der Digitalisierungsmaßnahmen, da sie sonst ohne feste Termine oder Ziele häufig hinausgeschoben werden. Betriebsberater können jedoch keine technisch umfassende betriebs- und gewerkespezifische Beratung erbringen. Für diese Fragen sollten sie als Vermittler auftreten, die es den Handwerksunternehmen ermöglichen, schnell geeignete Partner oder Förderungen für die Umsetzung einer Digitalisierungsmaßnahme zu gewinnen.

Handlungsfeld 4: Mitarbeiterqualifikation, Aus- und Weiterbildung

Die Rolle der Mitarbeiterqualifikation sowie Aus- und Weiterbildung zeigt sich als eine weitere zentrale Erfolgsbedingung betrieblicher Digitalisierung im Handwerk. Geeignete Formate können das Bewusstsein für den digitalen Wandel der Berufsbilder fördern, Fähigkeiten vermitteln und ggf. branchenübergreifend und interdisziplinär den Wissenstransfer in die Betriebe fördern. Darüber hinaus können Schulungen, Informationsveranstaltungen, Bar-Camps oder Workshops zum Ausprobieren und Erlernen digitaler Technologien dienen. Die Formate können gemeinsame mit überregionalen Anbietern wie dem Kompetenzzentrum Digitales Handwerk erarbeitet und durchgeführt werden, um bestehende Erfahrungen zu nutzen und in den regionalen Kontext zu übertragen. Ebenso können in Kooperation von Bildungsträgern, Wirtschaftsförderern sowie der Handwerkskammer zusätzliche digitalisierungsbezogene gewerkeübergreifende Bildungsangebote in regionalen Bildungs¬einrichtungen aufgebaut und durchgeführt werden, die sowohl Geschäftsführungen als auch Mitarbeiter ansprechen und Teilaspekte der Digitalisierung oder einzelne Technologien thematisieren. Auf diese Weise können neue Technologien oder Ideen für Prozess¬veränderungen in die Betriebe getragen werden.

Literaturverweis

Bizer, K., Proeger, T. & Thonipara, A. (2020). Handlungsfelder für die Digitalisierung des Handwerks in Südniedersachsen. Göttinger Beiträge zur Handwerksforschung (Heft 45). Göttingen. Download der Studie | Zusammenfassung

Projektdetails

Dieser Blick in die Forschung ist ein Teilergebnis des Forschungsprojekts DiTraH – Digitale Transformation von Handwerksunternehmen in Südniedersachsen, das in Kooperation mit der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung Göttingen mbh (GWG), der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK), dem Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik an der Leibniz Universität Hannover e.V. (HPI), der Handwerkskammer Hannover, dem Landkreis Holzminden, dem Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) sowie der Wirtschaftsförderung Region Goslar GmbH & Co.KG durchgeführt wird. Das Projekt wird kofinanziert aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Landes Niedersachsen sowie vom Deutschen Handwerksinstitut (DHI).

Ihr Kontakt

Till ProegerUniversität Göttingen
Volkswirtschaftliches Institut für Mittelstand und Handwerk
0551/39 174884