Zahlt es sich für Unternehmen aus, ihre Apps spielerisch zu gestalten? Dieser Frage ist ein Wissenschaftlerteam der Universität Göttingen nachgegangen. Dabei finden sich sowohl positive als auch negative Wirkungen von Gamification.

Ausgangslage

Digitale Dienstleister müssen eine kontinuierliche Nutzung der von ihnen entwickelten mobilen oder Web-basierten Anwendungen (Apps) sicherstellen, um profitabel zu sein.  Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass 89% der Nutzer eine App bereits 1 Woche nach der Installation nicht mehr verwenden. 25% aller installierten Apps werden sogar nur einmal genutzt. Um die kontinuierliche Nutzung zu motivieren, werden Apps in unterschiedlichsten Bereichen wie Fitness, Ernährung oder Bildung immer mehr wie Spiele gestaltet. Nutzer erhalten zum Beispiel für das Erfüllen bestimmter Aufgaben Punkte oder Abzeichen oder steigen in Ranglisten auf. Auf diese Weise sollen ernsthafte Aktivitäten wie Sport treiben oder Lernen spielerisch erlebt werden, Spaß bereiten und Apps (und die mit ihnen angebotenen Services) dauerhaft und intensiv genutzt werden. Gamification ist in den vergangenen Jahren zu einem vieldiskutierten Trendthema geworden, verspricht das Konzept doch höhere Produktivität bei gleichzeitig steigender Nutzerzufriedenheit. Bis zum Jahr 2020 wird daher erwartet, dass Investitionen in diesem Bereich auf 11 Milliarden $ anwachsen.

Obwohl das Thema Gamification sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft Aufmerksamkeit erhält, bleibt unklar, wie Nutzer Spiele-Elemente in Apps erleben und wie diese spielerischen Erfahrungen die Nutzung einer App erhöhen können. Das Forschungsprojekt der Universität Göttingen legt eine solche nutzerzentrierte Perspektive zugrunde. Es untersucht die verschiedenen Arten spielerischer Erlebnisse, die während der App-Nutzung entstehen, und wie diese in Folge erfolgsrelevante Kennzahlen von Unternehmen beeinflussen.

Datenerhebung

Das Team der Professur für Marketing und Innovationsmanagement der Universität Göttingen hat 511 Nutzer von „gamifizierten“ Apps aus den Bereichen Bildung, Fitness, Ernährung und Selbstorganisation befragt, wie sie diese wahrnehmen und wie ihre zukünftigen Verhaltensabsichten bezüglich dieser Apps sind (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Untersuchte Apps pro Themenbereich (n=Stichprobengröße) und Übersicht der implementierten Spiele-Elemente
(Quelle: Hammerschmidt, Weiger und Wolf 2019)

Es wurde untersucht, inwieweit sich vier grundlegende Arten von Nutzererlebnissen auf drei (für das Unternehmen ökonomisch vorteilhafte) Verhaltensweisen von Nutzern auswirken (siehe Abb. 2 + 3). Da Spiele-Elemente in Apps häufig verschiedene Nutzererlebnisse gleichzeitig hervorrufen, wurde auch das Zusammenspiel der Nutzererlebnisse auf das Nutzerverhalten ermittelt.

Abb. 2: Nutzererlebnisse und Einfluss auf erfolgsrelevantes Nutzerverhalten (Quelle: Hammerschmidt, Weiger und Wolf 2019)
Abb. 3: Messgrößen der verwendeten Variablen (Quelle: Hammerschmidt, Weiger und Wolf 2019)

Ergebnisse

Es zeigt sich, dass die vier genannten Nutzererlebnisse das für Unternehmen erfolgsrelevante Nutzerverhalten grundsätzlich begünstigen. Die Ergebnisse bestätigen daher die Strategie digitaler Dienstleister, mittels Gamification einen Mehrwert für Kunden zu schaffen. Ergebnis der Studie ist jedoch auch, dass nicht alle Nutzererlebnisse gleich wirksam sind. Können Nutzer durch die Spiele-Elemente in den Apps die eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten verbessern (Weiterentwicklung) oder sich einer Gruppe zugehörig fühlen (soziale Verbundenheit), sind sie eher geneigt, sich an die App zu binden und sogar Geld dafür zu bezahlen. Wenn sich Nutzer durch die Verwendung von Apps kompetenter fühlen, dann fördert dies auch deren Weiterempfehlung. Die Kompetenzentwicklung begünstigt dabei sowohl allein wie auch in Zusammenspiel mit anderen Nutzererlebnissen das Nutzerverhalten.

Steht allerdings die Konkurrenz mit anderen, etwa durch Ranglisten, im Vordergrund (sozialer Vergleich), kann aus Motivation schnell Druck werden. Für Unternehmen ist es daher wichtig, diesen sogenannten Verdrängungseffekt (also das Verdrängen eines inneren Antriebs durch äußere Faktoren) zu beachten, wenn sie überlegen, welche und wie viele Elemente sie in ihre Apps einbauen. Das Zusammenspiel von sozialem Vergleich mit den Nutzererlebnissen Selbstentfaltung und Zugehörigkeit zu einer Gruppe kann beispielsweise zu negativen Erlebnissen führen, die unerwünschte Wirkungen auf das Nutzerverhalten auslösen.

Unternehmen, die mit Gamification einen Mehrwert für Kunden und so letztlich auch Erfolg für das eigene Geschäft generieren wollen, müssen daher aufpassen, welche Erlebnisse sie durch Gamification auslösen. Anstatt sich auf die technische Gestaltung von Spiele-Elementen zu konzentrieren, sollten Unternehmen Nutzererlebnisse ermöglichen, die zu einer erhöhten Kundenbindung führen.

Referenzverzeichnis

(1) Dr. Maik Hammerschmidt, Prof. Dr. Welf Weiger, Tobias Wolf (2018): „Gamified Digital Services: How Gameful Experiences Drive Continued Service Usage“

https://www.researchgate.net/publication/319732563_Gamified_Digital_Services_How_Gameful_Experiences_Drive_Continued_Service_Usage

(2) Prof. Dr. Maik Hammerschmidt, Prof. Dr. Welf Weiger, Tobias Wolf (2019): „Experiences that Matter? The Motivational Experiences and Business Outcomes of Gamified Services”

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0148296318306763

Projektdetails

Dieser Blick in die Forschung basiert auf der Publikation „Experiences that Matter? The Motivational Experiences and Business Outcomes of Gamified Services” der Professur für Marketing und Innovationsmanagement der Universität Göttingen. Die Forschungsergebnisse wurden im Januar 2019 im Journal of Business Research veröffentlicht. Zudem basiert der Artikel auf dem Forschungsprojekt „Gamified Digital Services: How Gameful Experiences Drive Continued Service Usage“, das im Jahre 2018 veröffentlicht wurde.

Die Professur für Marketing und Innovationsmanagement konzentriert sich auf Aspekte des Innovations- und Technologiemanagements, vor allem in den Bereichen digitale Dienstleistungen, Vertrieb und soziale Medien.

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Professur für Marketing und Innovationsmanagement