Zukunftsweisende Technologien wie Big Data und Künstliche Intelligenz sind in vielen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen längst angekommen und leisten wertvolle Beiträge zu disruptiven Innovationen. In den Bereichen Immobilienwirtschaft und kommunale Daseinsvorsorge werden diese Beiträge bislang kaum realisiert. Ein gemeinsames Projekt der HAWK Fakultät Management, Soziale Arbeit, Bauen mit dem Institut für Management und IT unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Nern erforscht aktuell diesbezügliche Möglichkeiten und Methoden.
Ziel- & Fragestellung
Standorte ─ insbesondere im ländlichen Raum ─ befinden sich in einem immer weiter zugespitzten Wettbewerb um Einwohnerinnen und Einwohner, Investitionen und die damit verbundenen Einnahmen. Das Schaffen eines in allen Facetten attraktiven Standortes rückt vor diesem Hintergrund in den Fokus der Verantwortlichen. Um gezielt an den richtigen Stellschrauben für ein harmonisches Angebot drehen zu können, bedarf es einer umfangreichen Datenbank mit allen relevanten räumlichen Informationen. Die Pflege einer solchen Datenbank bringt zwar einen immensen Aufwand mit sich, nützt aber neben kommunalen Entscheidungsträgern auch weiteren Zielgruppen: Einerseits werden Investoren auf dem schnelllebigen Immobilienmarkt bei Entscheidungsprozessen maßgeblich unterstützt, andererseits können auch Unternehmen und letztlich Privatpersonen bei der Wahl ihres Standortes bzw. Lebensmittelpunktes auf eine breite Basis fundierter mikrogeographischer Daten zurückgreifen.
Welche Daten hierzu unter Anwendung welcher Methodik zu erfassen, auszuwerten und aufzubereiten sind, eruiert das Forschungsprojekt seit Januar 2017 unter dem Titel „Automatisierte Standortanalyse und Investitionsempfehlung anhand von mikrogeografischen Daten mittels künstlicher Intelligenz und Big Data“.
Methodisch-technische Umsetzung
Medizinische Versorgung, Einkaufsmöglichkeiten, Verkehrsanbindung, Bildungsangebote ─ Faktoren, die signifikant für die Attraktivität von Standorten sind und die kommunale Planung hinsichtlich der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum prägen, sind vielfältig und insbesondere ihre Kombination für divergente Zielgruppen unterschiedlich relevant. Nach der Strukturierung und Georeferenzierung nicht- bzw. semi-strukturierter Daten ist es möglich, hunderte verschiedene Faktoren in Relation zueinander zu setzen und entsprechend dem jeweiligen Interesse zu kontextualisieren. Zu diesem Zweck werden die einzelnen Werte je nach ihrer Höhe eingefärbt ─ in den folgenden Beispieldarstellungen rot für hohe und grün bzw. blau für niedrige Werte ─ und anschließend die Layer der einzelnen Faktoren übereinandergelegt (Abb. 1).
In dieser Form liegen zu jeder einzelnen enthaltenen Gebäudegeometrie hunderte hinterlegte Werte aus diversen Quellen vor ─ und somit auch zu jeder beliebig definierbaren bzw. abgrenzbaren Umgebung (z.B. das umliegende Wohnquartier). Die auf diese Weise entstehenden, immensen Datenmengen werden im folgenden Schritt unter Zuhilfenahme künstlicher Intelligenz auf Korrelationen und Anomalien untersucht. Die daraus resultierende Korrelationsmatrix gibt Aufschluss über die Art und die Intensität feststellbarer Zusammenhänge. Auf Basis dieser Zusammenhänge ist es dem System möglich, Predictives bzw. Voraussagen beispielsweise über den Mietpreis an einem spezifischen Standort zu treffen (Abb. 2).
Im Rahmen interaktiver Web-Anwendungen wird es Anwenderinnen und Anwendern ermöglicht, die Layer einzeln ein- und auszublenden und so durch eine detailgetreue, teilweise mit 3D-Geometrien der Gebäude unterfütterte Darstellung der jeweiligen Stadt zu naviegieren und verschiedenste Abfragen zu starten (Abb. 3).
Über die bereits thematisierten Anwendungen im Kontext der Immobilienwirtschaft hinaus ist die Anwendung auf nahezu alle Fragestellungen adaptierbar, die einen Bezug zu Räumen bzw. Standorten und ihren Umgebungen aufweisen. Eine Anfrage liegt bspw. aus der Pharmazie vor und beabsichtigt, den Einfluss von Standortfaktoren und Umgebungsvariablen auf den Umsatz von Apotheken zu erörtern.
Projektdetails
Dieser Blick in die Forschung basiert auf dem Beitrag des Projektes „Automatisierte Standortanalyse und Investitionsempfehlung anhand von mikrogeografischen Daten mittels künstlicher Intelligenz und Big Data“ zum Masterplan Digitalisierung. Das Projekt wird seit Januar 2017 mit nicht festgelegter Laufzeit vom Institut für Management und Informationstechnologie (IMI) in Zusammenarbeit mit der Fakultät Management, Soziale Arbeit, Bauen der HAWK in Holzminden durchgeführt.