Hochleistungsfähige Bauteile, wie die Bugnase des ICE, Flügel von Windkraftanlagen oder Rümpfe von Katamaranen, bestehen aus Verbundwerkstoffen mit heterogener Mikrostruktur. Das mechanische Materialverhalten durch Simulationen gezielt vorherzusagen ist aufgrund dieser Mikrostrukturen und der dadurch benötigten Rechenleistung oft nur begrenzt möglich. Daher entwickelt ein Forschungsteam der Technischen Universität Clausthal Modelle des maschinellen Lernens, um solche Simulationen zu beschleunigen. Das Ergebnis liegt statt nach Tagen bereits schon nach wenigen Sekunden vor.
Abb. 1: Jendrik-Alexander Tröger (links) und Hamidreza Eivazi nutzen maschinelles Lernen in komplexen Simulationen, um Materialien schneller zu optimieren. (© TU Clausthal)
Simulationen mit maschinellem Lernen kombinieren
Ressourceneffizienz, geringes Gewicht, Nachhaltigkeit – um die stetig wachsenden Anforderungen bei Werkstoffen zu erfüllen, werden diese kontinuierlich weiterentwickelt. Dabei nimmt häufig die Komplexität der Mikrostruktur zu, indem beispielsweise verstärkende oder besonders leichte Partikel oder Elemente hinzukommen. „Die Berücksichtigung der heterogenen Mikrostrukturen in Simulationen ist sehr aufwendig und führt zu sehr langen Rechenzeiten“, erläutert Jendrik-Alexander Tröger von der Technischen Universität Clausthal. Dadurch sind Simulationen zur Unterstützung nur eingeschränkt möglich, weshalb Materialentwicklerinnen und -entwickler auf experimentelle Studien unter entsprechendem Zeit- und Ressourcenaufwand zurückgreifen.
Ersatzmodelle durch maschinelles Lernen
Bei der Simulation des mechanischen Verhaltens von Bauteilen nimmt insbesondere die Berechnung der Mikrostruktur sehr viel Zeit in Anspruch. Im Gegensatz dazu sind neuronale Netze als Methode des maschinellen Lernens nach erfolgreichem Training sehr schnell auswertbar. Deshalb hat das interdisziplinäre Forschungsteam vom Institut für Technische Mechanik und Institute for Software and Systems Engineering in einem ersten Schritt eine große Datenmenge für die Mikrostruktur eines faserverstärkten Polymers erstellt und damit ein neuronales Netz als Ersatzmodell trainiert. „Das neuronale Netz konnte anschließend erfolgreich die Simulation der Mikrostruktur in Bauteilsimulationen ersetzen“, berichtet der Ingenieur.
Abb. 2: Die Simulationen ermitteln die Spannungsverteilung in einer Struktur mit Mikrostrukturen. Die Verwendung eines neuronalen Netzes (links) spart viel Zeit und kann die aufwendige Bauteilsimulation (mittig) ersetzen. Die Fehler zwischen beiden Vorgehensweisen (rechts) sind relativ klein. (© TU Clausthal)
Simulation von komplexen Materialien in Sekunden
„Die Rechenzeit von üblicherweise mehreren Tagen auf Hochleistungsrechnern haben wir mithilfe neuronaler Netze auf wenige Sekunden auf einem üblichen Laptop reduziert“, betont Jendrik-Alexander Tröger, „da neben der Rechenzeit auch der Speicherbedarf bei der Nutzung neuronaler Netze wesentlich geringer ist.“ Die Ergebnisse zwischen einer Referenzsimulation und eines trainierten neuronalen Netzes sind optisch nicht voneinander zu unterscheiden. Der bisherige datenbasierte Ansatz benötigt allerdings für jede Mikrostruktur die Generierung eines neuen Datensatzes. Daher will das Team zukünftig den Umfang an Daten durch geeignete physikalisch-basierte neuronale Netze wesentlich reduzieren. Damit können sie die entwickelte Methodik auf unterschiedlichste Mikrostrukturen übertragen, sodass sich zukünftig Mikrostrukturen durch Simulationen gezielt optimieren und der Umfang experimenteller Studien reduzieren lassen.
Weiterführende Informationen
Projektseite: Einsatz von maschinellem Lernen in mehrskaligen Finite Elemente Simulationen
Forschungseinrichtung
Jendrik-Alexander Tröger, M. Sc.
TU Clausthal
Institut für Technische Mechanik