Die Intensivierung der Landwirtschaft hat im 20. Jahrhundert zu einer enormen Steigerung der Erträge geführt, wird heute jedoch für die negativen Auswirkungen auf die Umwelt verantwortlich gemacht. Damit stehen moderne landwirtschaftliche Systeme der Herausforderung gegenüber, konstant hochqualitative Erträge durch eine umweltfreundliche und ressourcenschonende Produktionsweise zu erzeugen, die sowohl Ökosystemleistungen bereitstellt als auch ökonomisch sinnvoll ist.
Ausgangslage
Diversifizierte landwirtschaftliche Systeme (DLS) werden als eine Möglichkeit gesehen, hohe ökologische Vorteile und ökonomischen Nutzen bereitzustellen. Sie umfassen unterschiedliche Bewirtschaftungsmaßnahmen, die Ökosystemfunktionen (Bestäubung, Bodenbildung, Primärproduktion) und die mit ihr verbundenen Ökosystemleistungen (Bodenfruchtbarkeit, Produktivität, Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Störungen) auf unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Skalen bereitstellen. Dabei lassen sich Diversifizierungsmaßnahmen in vielen landwirtschaftlichen Produktionssystemen integrieren (konventionell, integrierte und extensive Landwirtschaft). Der resultierende ökologische Nutzen kann ökonomische Vorteile auf Betriebsebene sowie auf gesellschaftlicher Ebene (Verminderung negativer Externalitäten) bringen. Die Entwicklung von umweltfreundlichen Alternativen zu Ressourcen-intensiven landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsmaßnahmen wurde in den letzten Jahren intensiv untersucht. Obwohl Diversifizierungsmaßnahmen eine vielversprechende Alternative darstellen, sind die Implementierungsraten sehr gering. Eine Begründung für die geringe Umsetzungsrate könnte die mangelnde Kenntnis über Trade-offs und Synergien zwischen den ökologischen Vorteilen und ökonomischen Nutzen für die landwirtschaftlichen Betriebe sein. Neben dem Bestreben einiger Studien, die ökologischen sowie ökonomischen Nutzen der DF-Maßnahmen zu untersuchen (Reganold & Wachter, 2016; Seufert & Ramankutty, 2017), braucht es für politische Entscheidungsfindungen mehr Studien auf der ökonomischen und gesellschaftlichen Ebene. Eine umfassende Betrachtung des Zusammenspiels zwischen ökologischen Vorteilen und ökonomischen Nutzen der Diversifizierungsmaßnahmen für die Landwirte und für die Gesellschaft ist daher zwingend notwendig.
Datenerhebung
In diesem Artikel wurden Diversifizierungsmaßnahmen (Abb. 1) mittels einer systematischen Literaturrecherche hinsichtlich ihrer ökologischen Vorteile und ökonomischen Nutzen verglichen und überprüft, welche Diversifizierungsmaßnahmen gleichwohl ökologische Vorteile und ökonomischen Nutzen generieren. Dazu wurden diejenigen Diversifizierungsmaßnahmen identifiziert, die zu einer Win-Win-Situation und zu geringen Zielkonflikten zwischen ökologischen und ökonomischen Aspekten führen.
Abb. 1: Schematische Illustration eines diversifizierten landwirtschaftlichen Systems
(Quelle: J. Rosa-Schleich et al. 2019)
Insgesamt wurden 348 Artikel in die systematische Literatursynthese einbezogen (für mehr Details siehe Originalpublikation). Von diesen wurden 159 Artikel (52 Meta-Analysen, 13 quantitative Synthesen, 72 Reviews und 21 Studien) basierend auf insgesamt 10.031 Primärstudien ausgewählt und für die Ergebnisse dieser Synthese genutzt. Viele dieser Artikel untersuchen die ökologischen Vorteile z.B. Biodiversität, Nährstoffverfügbarkeit und Kohlenstoffspeicherung. Ökonomische Vorteile wie Ertragsniveau, Ertragsstabilität und Profitabilität sind relativ gut untersucht, wohingegen andere potenzielle ökonomische Vorteile (z.B. Arbeitsaufwendungen, Düngemittelaufwendungen und Maschinen-aufwendungen) für die Betriebe weniger gut untersucht sind. Die ökologischen Vorteile und ökonomischen Nutzen der Diversifizierungsmaßnahmen wurden auf Ebene der Betriebe betrachtet. Für die Synthese wurden die Diversifizierungsmaßnahmen in die „Gruppen Einzelmaßnahmen und kombinierte Maßnahmen“ unterteilt und in der Tab. 1 beschrieben.
Tab. 1: Übersicht der in der Literatursyntese bearbeiteten Diversifizierungsmaßnahmen
(Quelle: J. Rosa-Schleich et al. 2019)
Im Rahmen der Arbeit wurden 11 ökologische Vorteile und 11 ökonomische Nutzen betrachtet (Tab. 2). Positive Ergebnisse einer Studie wurden mit dem Wert 1 gewichtet, negative Ergebnisse mit dem Wert -1 und neutrale Ergebnisse (mit dem Wert 0, was bedeutet, dass entweder kein Effekt für die jeweilige Diversifizierungsmaßnahme in der Literatur gefunden wurde oder die Ergebnisse keine eindeutige Aussage zulassen. Anschließend wurden die Gewichtungen aufsummiert und für jede Diversifizierungsmaßnahme visualisiert (Tab. 3)
Ergebnisse
Zahlreiche Artikel belegen die ökologischen Vorteile diversifizierter landwirtschaftlicher Systeme (höhere Biodiversität, verbesserte Schädlings-, Krankheits- und Beikrautkontrolle, verbesserte und stabilere Bodengesundheit und -fruchtbarkeit, Verringerung von Bodenerosion, verbessertes Wasser- und Nährstoffmanagement und höhere Widerstandsfähigkeit des gesamten Agrarökosystems). Die prominentesten ökonomischen Nutzen umfassen Inputeinsparungen für Saatgut, Agrochemikalien, Maschinen und zu einem geringen Ausmaß Arbeitskosten.
Kurzfristig resultieren Diversifizierungsmaßnahmen häufig in geringeren Erträgen im Vergleich zu nicht-diversifizierten Bewirtschaftungsmaßnahmen. Langfristig gleichen sich die Erträge jedoch zumeist an und können in einigen Fällen die Erträge konventioneller Bewirtschaftungsmaßnahmen übersteigen. Die Profitabilität der Bewirtschaftungs-maßnahmen wird jedoch nicht nur durch die Erträge bestimmt, sondern kann auch auf geringere Arbeits- und Inputkosten zurückgeführt werden. Die ökologischen und ökonomischen Vorteile können insgesamt die Nachteile des Ertragsverlusts ausgleichen. Die Umsetzung kombinierter Diversifizierungsmaßnahmen (konservierende Landwirtschaft, gemischte Produktionsverfahren von Tier-Pflanze und ökologische Landwirtschaft) führen zu größeren ökologischen Vorteilen und ökonomischen Nutzen als die Umsetzung von Einzelmaßnahmen (Abb. 2).
Tab. 3. : Einstufung der ökologischen und ökonomischen Vorteile von DLS – Pfeile visualisieren Richtung des Effekts ↑ (Zunahme) ↓ (Abnahme) ↑↓ (beide Effekte), Leeres Feld (keine Meta-Analyse oder Review gefunden), Farbschattierungen verdeutlichen Evidenzlevel (hellgrau=schwache Evidenz, mittelgrau=mittlere Evidenz, dunkelgrau=starke Evidenz)
(Quelle: J. Rosa-Schleich et al. 2019)
Ausblick
Diversifizierte landwirtschaftliche Systeme stellen eine vielversprechende Alternative gegenüber Ressourcen-intensiven Bewirtschaftungsverfahren dar, die Implementierungsraten sind jedoch sehr gering. Deshalb müssen diversifizierte landwirtschaftliche Systeme durch finanzielle Instrumente und klare Regelungen auf politischer Ebene attraktiver für die Landwirte gestaltet werden. Dazu braucht es auch eine angemessene Entlohnung der durch Diversifizierungsmaßnahmen bereitgestellten Ökosystemleistungen.
Referenzverzeichnis
Julia Rosa-Schleich (Universität Göttingen), Prof. Dr. Jacqueline Loos (Leuphana Universität Lüneburg), Prof. Dr. Oliver Mußhoff, Prof. Dr. Teja Tscharntke (Universität Göttingen), (2019) „Ecological-economic trade-offs of Diversified Farming Systems – A review“, Ecological Economics
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0921800918301277
Projektdetails
Dieser Blick in die Forschung basiert auf der Publikation „Ecological-economic trade-offs of Diversified Farming Systems – A review“ der Abteilung Agrarökologie und der Abteilung Landwirtschaftliche Betriebslehre der Universität Göttingen, die in Kooperation mit der Leuphana Universität Lüneburg erstellt wurde. Die Forschungsergebnisse wurden im März 2019 im Journal Ecological Economics veröffentlicht.
Die Forschung der Abteilung Agrarökologie der Universität Göttingen thematisiert Biodiversität und Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren sowie Interaktionen zwischen Pflanzen und Insekten. Der Arbeitsbereich der Abteilung Landwirtschaftliche Betriebslehre deckt wesentliche Aspekte von Forschung und Lehre der Betriebslehre des Landbaus, der Ernährungswirtschaft und der ländlichen Entwicklung ab.