Die Digitalisierung erfasst die handwerklichen Betriebsstrukturen, Branchen und Regionen auf sehr unterschiedliche Weise. Regionale Strategien zur gezielten Förderung der technologischen Wissensdiffusion innovativer digitaler Technologien zu Handwerksbetrieben erfordern daher ein differenziertes Bild des regions- und branchenspezifischen Standes der Digitalisierung. Diese Studie erhebt und analysiert fünf verschiedene Datenquellen, die in der Zusammenschau differenzierte Aussagen zum Stand der Digitalisierung in Südniedersachsen erlauben: die Strukturkennziffern der Handwerkszählung, die Bedarfsanalyse Digitalisierung des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk, die Automatisierungswahrscheinlichkeiten für Handwerksberufe des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die Nutzungs¬häufigkeiten von Homepages und Social-Media durch Handwerksbetriebe sowie die Nutzungsdaten der digitalen Plattformen MyHammer und ProvenExpert.

Die Struktur des Handwerks in Südniedersachsen

Bei der Auswahl von Anknüpfungspunkten für gezielte Digitalisierungsmaßnahmen muss bei der Auswahl von Förderinstrumenten die durchschnittlich niedrige Betriebsgröße in Südniedersachsen beachtet werden, oder eine Fokussierung auf die geringe Zahl an mitarbeiterstärkeren, größeren Betrieben erfolgen. Die Entwicklung der Auszubildendenzahlen kann dabei als ein Maß für die Entwicklung der Mitarbeiterzahlen in den betreffenden Bereichen genutzt werden. Grundlegend ist eine Wahl zwischen einer gewerkeübergreifenden Breitenstrategie und einer fokussierten Tiefenförderung für spezifische Teilsegmente zu treffen.

Automatisierungspotenziale im Handwerk?

Die Potenziale für handwerkliche Berufe, d.h. die Möglichkeit der Ersetzung von Handarbeit durch automatisierte Prozesse, zeigen grundlegend ein begrenztes Potenzial für Automatisierung im Handwerk. Dabei sind Hoch- und Tiefbau nahezu gar nicht computerbasiert substituierbar; auf der anderen Seite sind aber Berufe im Bereich der Feinwerk- und Werkzeugtechnik sowie Drucktechnik und -weiterverarbeitung, Buchbinderei und auch der Reinigungsberufe stark und zunehmend substituierbar. Insgesamt hat die Substituierbarkeit in allen Handwerksberufen in den letzten Jahren zugenommen. Südniedersachsen hat – im Niedersachsenvergleich – im Hinblick auf die Substituierbarkeit keine auffälligen Eigenschaften. Dennoch deuten sie auf berufsspezifische Handlungsbedarfe für Aus- und Weiterbildung hin. Sie sind nicht primär als Maß für potenzielle Arbeitsplatzverluste zu interpretieren, sondern ein Ausdruck für die technologische Dynamik des jeweiligen Berufsbildes, das positive und negative ökonomische Effekte für die Region haben kann. Die Ausgestaltung und qualifikatorische Unterstützung dieses Prozesses können hierbei positive Entwicklungen befördern.

Digitales Marketing

Das digitale Marketing ist in Südniedersachsen stark ausgeprägt, wobei wiederum das Gesundheitsgewerbe besonders hohe Aktivität aufweist und die Handwerke für den privaten Bedarf eher niedrige Werte, wobei beide über dem Bundes- und Niedersachsendurchschnitt liegen. Die Rolle eines effektiven regionalen Digitalmarketings ist für die Fachkräftegewinnung und -sicherung sowie für die Sicherung von Umsätzen in konjunkturellen Abschwungzeiten von hoher Bedeutung. Plattformen im Bereich der Auftragsvermittlung und der Bewertung werden im Kreisvergleich in Südniedersachsen durchschnittlich bis schwach genutzt, wobei es starke Stadt-Land-Unterschiede gibt. Es ist anzunehmen, dass die Altersstruktur der Bevölkerung bei diesem Effekt eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Gleichwohl sind digitale Plattformen eine zentrale Einflussgröße auf die Digitalisierung auf Nachfragerseite, die bei vielen Dienstleistungen eine immer stärkere Rolle spielen, sodass eine wachsende Verbreitung im Handwerk wahrscheinlich ist.

Literaturverweis

Thonipara, A., Proeger, T. & Bizer, K. (2019). Strukturanalyse zur Digitalisierung des Handwerks in Südniedersachsen. Göttinger Beiträge zur Handwerksforschung (Heft 30). Göttingen. Download der Studie | Zusammenfassung

Projektdetails

Dieser Blick in die Forschung ist ein Teilergebnis des Forschungsprojekts DiTraH – Digitale Transformation von Handwerksunternehmen in Südniedersachsen, das in Kooperation mit der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung Göttingen mbh (GWG), der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK), dem Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik an der Leibniz Universität Hannover e.V. (HPI), der Handwerkskammer Hannover, dem Landkreis Holzminden, dem Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) sowie der Wirtschaftsförderung Region Goslar GmbH & Co.KG durchgeführt wird. Das Projekt wird kofinanziert aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Landes Niedersachsen sowie vom Deutschen Handwerksinstitut (DHI).

Ihr Kontakt

Till ProegerUniversität Göttingen
Volkswirtschaftliches Institut für Mittelstand und Handwerk
0551/39 174884