Welche Faktoren hemmen oder fördern nachhaltige Gründung? In Kooperation mit dem SNIC interviewte Wiebke Lühmann vier nachhaltige Gründer und zwei Experten zu diesem Thema. Ziel der Befragung war eine explorative Erfassung über die wahrgenommenen Hemmnisse und Gunstfaktoren der Startups.

Bedeutung und Erfassung nachhaltiger Unternehmensgründungen

Da ökonomisches Handeln häufig auch negative Auswirkungen, z.B. Umweltbelastungen, mit sich bringt, befinden sich Unternehmen in einem Spannungsfeld zwischen ökonomisch, sozial und ökologischen Zielen. Unternehmen, die bewusst ihre gesellschaftliche und ökologische Verantwortung in ihrem Unternehmensmodell implementieren , können negative Folgen eliminieren oder sogar rückgängig machen. Zur Erhebung der Gründungsaktivitäten in Deutschland werden jährlich unterschiedliche Gründungsmonitore veröffentlicht. In diesen Statistiken sind angestrebte Unternehmenswerte oder die ökologischen Auswirkungen von Gründungen jedoch nicht aufgeführt. In Deutschland wurden 2016 insgesamt 672.000 Unternehmen gegründet [1]. Dies entspricht einer Anzahl von etwa 13.000 Gründungen pro Woche. Die Annahme, dass hauptsächlich große Unternehmen aufgrund von größenbedingten Vorteilen die besten Voraussetzungen für die Hervorbringung von Innovationen haben, wurde durch die Mittelstandsforschung der letzten Jahrzehnte widderrufen [2]. Insbesondere Gründungen bringen Innovationen hervor und sind wichtig für die Modernisierung der Wirtschaft. Aus den Gründungsmonitoren geht hervor, dass es zwei wichtige Parameter gibt, die die Anzahl und die Qualität von Gründungen beeinflussen: die Motivation der Gründer*innen sowie die Rahmenbedingungen. Da das Umfeld, also die Rahmenbedingungen, eine Größe ist, die z.B. durch Institutionen und Infrastruktur messbar sowie veränderbar ist, fokussierte sich die Arbeit auf diese Rahmenbedingungen. Die daraus entwickelte Fragestellung lautet: Welche Faktoren hemmen oder fördern nachhaltige Gründung?

Inhalt und Ergebnis der Befragung

In ergebnisoffenen Interviews gaben vier Gründer und zwei Experten aus dem Bereich Auskunft über Finanzierungsmöglichkeiten, Qualifizierungsangebote für Gründer*innen, die Wertschätzung nachhaltiger Geschäftsmodelle und Produkte durch die Kunden und die Unterstützung durch den Staat. Das Material wurde anschließend quantitativ und qualitativ ausgewertet und zwei Aspekte detaillierter Beleuchtet: die Finanzierung und der Einfluss einer Universität auf nachhaltige Unternehmensgründung. In den sechs Befragungen mit Gründern und Experten ist die Relevanz der Finanzierung klar zu erkennen. Dabei scheinen ökologische Ziele keinerlei positive Auswirkung auf die Finanzierungsmöglichkeiten der Gründer zu haben. Alle vier Gründer berichten über finanzielle Schwierigkeiten sowie über die grundlegende Skepsis von Kapitalgebern. So scheinen nachhaltige Geschäftsmodelle wenig Vertrauen bei Investoren zu wecken. Kapitalgeber bringen laut den Interviewten nachhaltigen Geschäftsideen tendenziell mehr Misstrauen gegenüber als herkömmlichen Unternehmen. Daraus leite ich das Ergebnis ab, dass zusätzliche Förderlinien, die auf nachhaltige Unternehmensgründungen angepasst sind, die Finanzierungssituation verbessern können. Die Ergebnisse aus den Interviews stimmen auch mit den Erkenntnissen aus dem GEM (Global Entrepreneurship Monitor) überein. Hier wird ebenfalls von einer starken länderspezifischen und regionalen Heterogenität bei der Finanzierung gesprochen. Unterstützungswürdige Gruppen, so auch nachhaltig orientierte Gründungen, müssten verstärkt in den Fokus von Förderlinien genommen werden.

Als zweite Rahmenbedingung kann auch eine Universität eine elementare Rolle bei der Entwicklung eines nachhaltigen Startups spielen. In den Interviews mit Gründern und Experten wurde deutlich betont, dass das Gründungspotential an Hochschulen nicht ausgeschöpft sei. Gleichzeitig wurden das universitäre Umfeld und der Forschungs- und Wissenstransfer sehr positiv bewertet. Gründerstipendien und Forschungsmittel, welche über eine Hochschule eingeworben werden können, bieten einen enormen finanziellen Mehrwert. Auch die Gründungsberatung stellt ein Gunstfaktor an Hochschulen dar. Das Nutzen von zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und Laboren kann die Entwicklung einer Gründungsidee fördern. Dennoch gibt es auch Kritik von Seiten der Interviewten, denn häufig mangelt es an betriebswirtschaftlichen Kompetenzen, welche für eine Unternehmensgründung benötigt werden, welche nicht an der Universität gelehrt werden. Außerdem werden neben Fachwissen in natur-, sozial-, wirtschafts- und geisteswissenschaftlichen Studiengängen selten interdisziplinäre Kompetenzen vermittelt. Das Ergebnis aus der Betrachtung dieses Faktors ist, dass eine Universität die Vernetzung von wirtschafts- und naturwissenschaftlichen Studierenden und somit das Interesse an interdisziplinärer Forschung gezielter fördern könnte, um die nachhaltige Gründungsaktivität zu steigern. Außerdem können Qualifizierungsangebote der Gründungsförderung durch Inhalte wie Nachhaltigkeitslehre ergänzt werden. Dennoch spielt schon jetzt eine Universität eine positiv wahrgenommene Rolle für die nachhaltigen Gründer und Gründerinnen.

Eine auf meiner Bachelorarbeit aufbauende, evaluative Studie mit mehr Interviewpartnern könnte die Zusammenhänge der Einflussgrößen analysieren und fundierte Handlungsstrategien entwickeln. So könnte eine Masterarbeit die Erfassung aller Gründungsaktivitäten anstreben, damit die Studierenden, die Universität, die Investoren sowie weitere Anspruchsgruppen noch stärker von dem vorhandenen Potential nachhaltiger Unternehmensgründungen profitieren. Dabei ist das Ziel, dass langfristig nachhaltiges Unternehmertum in Deutschland forciert wird. Durch die Interviews wurde deutlich, dass durchaus Handlungsbedarf besteht und dass es bereits eine Vielzahl von Erfahrungen gibt, aus denen Handlungsmaßnahmen abgeleitet werden können.

Referenzverzeichnis

[1] KfW. „KfW-Gründungsmonitor 2017 – Beschäftigungsrekord mit Nebenwirkung: So wenige Gründer wie nie.“ Zugriff: 3. März 2018.

[2] EFI, Hg. 2017. Gutachten zur Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähig-keit Deutschlands. Unter Mitarbeit von U. Backes-Gellner, C. Böhringer, U. Cantner und D. Harhoff. Zugriff: 9. März 2018.

Projektdetails

Dieser Blick in die Forschung basiert auf der Masterarbeit von Wiebke Lühmann am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Mittelstandsforschung (Prof. Dr. Kilian Bizer). Die Arbeit wurde vom SüdniedersachsenInnovationsCampus als PraxisArbeit gefördert. Ziel von PraxisArbeiten ist der Erkenntnistransfer zwischen Wissenschaft und regionaler Wirtschaft sowie eine Intensivierung des Austauschs und der Zusammenarbeit. Das persönliche Fazit von Frau Lühmann: „Von der Entwicklung der Fragestellung, über die Auswahl der Interviewpartner bis hin zur Schwerpunktsetzung in der Auswertung, durfte ich selbstbestimmt und eigenverantwortlich arbeiten. Das motivierte mich sehr. Ich sammelte hautnahe Einblicke in die Forschung und lernte spannende Menschen kennen. Die Erfahrung kann ich wärmstens weiterempfehlen und ich hoffe, dass ich durch diesen Bericht einigen interessierten Studis Mut machen konnte, ebenfalls eine eigene PraxisArbeit zu schreiben.“

Ihr Kontakt

Wiebke LühmannUniversität Göttingen
Wirtschaftspolitik und Mittelstandsforschung